Ernst Tschökes 80. Geburtstag am 16.04.2021

Fr, 16.04.2021 / Heiko Rammenstein (Marathon)
Ernst Tschöke beim Berlin Marathon am 25.09.2016, mit 75 Jahren
Ernst Tschöke beim Berlin Marathon am 25.09.2016, mit 75 Jahren

Ernst – ein unpassender Vorname für einen Menschen, der dazu in der Lage ist, andere durch seine gute Laune, seine Witze und sein Lachen anzustecken. Gäbe es ein gegenteiliges Synonym, man müsste es verwenden.

 

Lebenslauf

 

Ernst wurde am 16. April 1941 in Niederschlesien geboren. Niedersteine hieß sein Heimatort. Im Jahr nach dem Ende des Krieges, im bitterkalten Januar 1946, wurden die deutschstämmigen Familien aus ihren Häusern vertrieben und in Güterwaggons gepfercht, um Richtung Westen transportiert zu werden. Sein altes Dorf sah Ernst nie wieder, aber auch jetzt noch, 75 Jahre nach der erzwungenen Flucht, prangt ein Schild am ehemaligen Haus der Familie, und darauf steht in großen Lettern: „Bäckerei Tschöke“.

 

Ernst strandete mit seiner Familie zunächst in einem Ortsteil der mittelsächsichen Stadt Döbeln. Aber sein Vater ahnte voraus, dass in der sowjetischen Besatzungszone ein freiheitliches Leben nicht möglich sein würde. Also zogen sie im Jahr 1947 in die amerikanische Besatzungszone: Zuerst nach Eichenberg, wo Ernst eingeschult wurde und sein Vater im Gleisbau arbeitete, und im Jahr 1948 ins Meißnervorland, nach Dudenrode, einem Ortsteil der Stadt Bad Sooden-Allendorf.

 

Dort begann auch seine Leidenschaft für das Skispringen. Anfangs auf selbstgebauten Schanzen, trieb es ihn später auf die Holzschanzen der Region, von denen es damals noch einige gab. Beim TSV Retterode konnte er seine sportlichen Herausforderungen ausleben. Als Leichtgewicht fiel es ihm nicht schwer, trotz seiner einfachen Holzskier bis auf beachtliche 37 Meter zu fliegen. Auf der Max-Höfer-Schanze am Ziegenkopf im Habichtswald brachte er es auf immerhin 35 Meter. Mit 23 bis 24 Jahren war Ernst auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, die er aber dann beendete.

 

Noch vor seinem 15. Geburtstag begann er mit einer Lehre als Metzger in Bad Sooden. In der ersten Zeit legte er den Weg zum Ausbildungsbetrieb mit dem Fahrrad zurück. Nicht selten musste er nach einem 10stündigen Arbeitstag auch noch Wurst- und Fleischwaren, die ihm sein Meister an den Lenker hängte, in die benachbarten Dörfer bringen. Später verschaffte ihm die Anschaffung eines Mopeds eine Erleichterung.

 

Da der Betrieb nach dem Ende von Ernsts Ausbildungszeit nicht weitergeführt wurde, verhalf ihm sein Chef zu einer Stelle als Koch in Göttingen. Die Ausbildung zum Koch dauerte von 1959 bis 1961. Anschließend ging er für zwei Jahre in die Schweiz. In den Sommermonaten arbeitete er in einem Hotel am Vierwaldstätter See, ansonsten in Zürich und Basel. Zwischendurch war er auch am Schlosshotel in Kassel beschäftigt.

 

Von 1963 bis 1965 wurde Ernst Abraumfahrer im Braunkohletagebau der Zeche Hirschberg bei Großalmerode-Epterode. In den riesigen Lastwagen mit den übermannsgroßen Rädern war der kleine Mann von außen nicht zu sehen, sodass die Kollegen immer witzelten: „Achtung, da kommt der führerlose LKW!“

 

In den Jahren 1966 bis 1967 musste Ernst doch noch seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr ableisten, und zwar in Fritzlar. Dort betätigte er sich wieder als Koch. Während dieser Zeit lernte er seine Frau Angelika kennen, die aus Fritzlar stammt.

 

Von 1967 bis zu seinem Renteneintritt zu Beginn des Jahres 2002 arbeitete Ernst 35 Jahre lang als Koch in der Orthopädischen Klinik in Kassel. In der Hierarchie stieg er rasch immer weiter bis zum 1. Chefkoch auf.

 

Im Jahr 1972 heiratete Ernst seine Angelika. In 1974 kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt. In Baunatal-Hertingshausen fand die kleine Familie ein Zuhause. Der Edersee, wo Ernst als langjähriges Mitglied in einem Angelsportverein ein kleines Boot besitzt, ist für Ernst ein Refugium der Ruhe und Entspannung. Als weiteres Hobby entwickelte sich der Laufsport. Vor zweieinhalb Jahren wurden Ernst und Angelika Großeltern eines Jungen.

 

 

Sportliche Laufbahn

 

Im Alter von 41 Jahren wollte Ernst eigentlich nur sein Gewicht reduzieren, das sich angehäuft hatte, nachdem er mit dem Rauchen aufgehört hatte. Also meldete er sich im Parkstadion für das Deutsche Sportabzeichen an. Im Lauf der Jahre meisterte Ernst mehrfach das Sportabzeichen in Gold. Zum Abschluss stand immer der 3000-Meter-Lauf auf dem Programm. Daran fand Ernst so viel Spaß, dass es ihm nichts ausmachte, diese Distanz zwei- oder sogar dreimal am Abend zu bestreiten, um andere Sportler zu begleiten. Siggi Henning, Trainer-Urgestein der damaligen LG Baunatal, schlug ihm deshalb vor, in das Training der damals schon existierenden Marathon-Gruppe einzusteigen.

 

Damit begann Ernsts Karriere als Marathonläufer. Mit der Trainingsgruppe, in der sich namhafte Größen der heimischen Laufszene befanden, durchstreifte er den Habichts- und Söhrewald sowie die übrige Umgebung der Heimat und lernte auch die berüchtigte „7-Dörfer-Runde“ kennen. Die Distanzen wurden länger, ein Halbmarathon im Training wurde schnell zur Normalität.

 

Im März 1989 schließlich, wenige Wochen vor Ernsts 48. Geburtstag, absolvierte er seinen allerersten Marathonlauf, und zwar in Kassel. Damals wurden noch vier Runden gelaufen. Als auf die 50 zugehender Debütant schaffte Ernst die Distanz in der bemerkenswerten Zeit von 3:36 Stunden.

 

Ernst entwickelte eine regelrechte Leidenschaft für das Laufen und konnte auch Andere dafür begeistern, schon allein durch seine fröhliche, aufgeschlossene Art. Ambitionierte Läufer baten ihn, sie zu trainieren und zum Marathon hinzuführen. Bereitwillig nahm er sich dieser Aufgabe an. Zu seinen Schützlingen zählten etwa Peter Becker, mit dem er im Hertbst 1989 in Frankfurt 3:33 Stunden lief, und Michael Erben.

 

Nach 3:24 Std. im Jahr 1990 gelang es Ernst im Jahr 1991, mit 50 Jahren, in Hamburg seine Bestzeit von 3:12 Std. zu erzielen. In den Jahren seiner erfolgreichsten Zeit als Läufer war er auch regelmäßiger Gast bei den Nordhessencup- und Winterläufen der Region. Beim Nordhessencup etwa lief er fast ausnahmslos die Serien der langen Läufe, die ihm unzählige Podestplätze und Urkunden sowie zahlreiche Pokale bescherten. Mindestens zehnmal schloss er die Serie erfolgreich ab, und zwar in der Zeit, als er 50-60 Jahre war.

 

In späteren Jahren errang er auch als Altersklassenläufer einige Erfolge: So wurde er im Jahr 2011 Altersklassensieger der M70 beim Kassel Marathon. Zum 1. Januar 2012 trat er der im Jahr zuvor gegründeten Marathonabteilung bei. Das älteste Mitglied ist bei allen beliebt. Er hat immer ein freundliches Wort übrig und verbreitet jede Menge Spaß und Freude durch seine gute Laune. Als Ernst 75 wurde, verlieh ihm Abteilungsleiter Michael Jünemann in einer Feierstunde die Ehrenmitgliedschaft.

 

Im September desselben Jahres erfüllte er sich seinen Traum, den Berlin Marathon zu bewältigen. Dass ihm drei Jahre zuvor ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt wurde, hielt ihn nicht von seinem ehrgeizigen Ziel ab, das er nach 5:40 Stunden wohlbehalten erreichte.

 

Im Jahr 2019 wurde Ernst hessischer Halbmarathonmeister der M75 in Bad Hersfeld, obwohl er im Jahr zuvor auch noch mit einem künstlichen Kniegelenk ausgestattet werden musste.

 

Ursprünglich wollte Ernst im Jahr seines 80. Geburtstages erneut beim Berlin Marathon antreten. Aber wegen kleinerer Blessuren konnte er bisher nur wenig trainieren und außerdem ist noch ungewiss, ob wegen der Corona-Pandemie der Marathon in diesem Jahr überhaupt stattfinden kann.

 

 

„Dann lauf‘ ich halt im nächsten Jahr!“

So lautet kühn sein Kommentar.

 

Entsetzt spricht da Angelika:

„Das meinst du doch nicht so, Ernst, ja?“

 

„Oh doch, das hab‘ ich, Ernst, gemeint,

auch wenn es dir wie Spaß erscheint!“

 

 

Alles Gute, lieber Ernst, zum 80. Geburtstag, und die besten Wünsche zur Gesundheit!

Bewahr dir deine gute Laune und dein Lachen und erzähle uns weiter deine Witze und Anekdoten, die wir so gern von dir hören, wenn sich die Gelegenheit ergibt!

 

Deine Marathonis!



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